Catcalling ist verbale sexuelle Belästigung, meistens von Männern gegenüber Frauen – und bisher in Deutschland nicht strafbar. Warum sich das unbedingt ändern muss.
Triggerwarnung: Der folgende Text thematisiert sexualisierte Gewalt.
Catcalling: Pfiffe, anzügliches Rufen oder aufdringliches Ansprechen
Es ist ein warmer Sommertag, ich komme gegen späten Nachmittag von einer Verabredung zurück und habe richtig gute Laune. Gerade biege ich in die Straße zu meiner Wohnung ein, als mir plötzlich jemand, viel zu nah an meinem Gesicht, ein Kussgeräusch ins Ohr haucht. Erschrocken drehe ich mich zur Seite, ein Mann auf einem Fahrrad fährt an mir vorbei, ist schon einige Meter vor mir, als er sich noch einmal umdreht und erneut die Lippen spitzt. In mir zieht sich etwas zusammen, meine gute Laune ist wie weggeblasen. Ich brauche zwei, drei Sekunden um zu realisieren, was da gerade passiert ist und da ist es eigentlich auch schon zu spät für eine Reaktion. Ich rufe dem Mann nur noch halbherzig ein viel zu mildes Schimpfwort hinterher – weil er es eh nicht mehr hören wird.
"War doch nur nett gemeint"
Das ist jetzt fast zwei Jahre her, doch die Erinnerung an diese und viele andere Situationen macht mich immer wieder unglaublich wütend und hilflos gleichzeitig. Ich hätte diesen Typ gerne von seinem Fahrrad geboxt, ihn angeschrien, wie ekelhaft und übergriffig sein Verhalten ist – und er hätte mich vermutlich belächelt, gesagt, dass ich überreagiere, das “doch ein Kompliment war” oder mir erklärt, dass ich dann doch bitte kein kurzes Kleid anziehen sollte.
Not all men – but all women
Pfeifen, anzügliche Kommentare oder aufdringliches Ansprechen – ich weiß, dass das (zum Glück) nicht alle Männer machen. Aber ich weiß auch, dass jede Frau von Erfahrungen mit übergriffigem Verhalten im öffentlichen Raum berichten kann. Catcalling ist ein Problem patriarchaler Strukturen, das noch viel zu häufig abgetan wird. Frei nach dem Motto: “Ist ja nichts passiert”. Dabei ist das schlichtweg falsch. Denn jedes einzelne Mal, wenn mir ein Mann ungewollt etwas hinterher ruft, Kussgeräusche macht oder mich auf eine unangenehme Weise anstarrt, passiert sehr wohl etwas in mir. Es suggeriert: Im öffentlichen Raum kann ich dich jederzeit sexuell objektivieren. Und ich möchte mir nicht ausmalen, was das erst mit Frauen macht, die in ihrem Leben bereits Traumata durch sexualisierte Gewalt erlitten haben.
Wieso ist Catcalling nicht strafbar?
Catcalling ist verbale sexuelle Belästigung. Und muss auch vom Gesetz als solche anerkannt werden. In einigen europäischen Ländern ist das bereits der Fall: In Frankreich, Portugal, Belgien und den Niederlanden drohen Catcallern Geldstrafen. In Deutschland kann Catcalling bisher höchstens als Beleidigung geahndet werden – zumindest theoretisch. Um eine solche Anzeige tatsächlich durchzubringen, müssten Betroffene erst einmal beweisen, dass ihre “Würde in hohem Maße verletzt” wurde. Schwierig.
Das muss sich ändern
Um Catcalling strafbar zu machen, müsste verbale sexuelle Belästigung ins Strafgesetzbuch aufgenommen oder, nach französischem Vorbild, als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Das würde auch den bürokratischen Aufwand verringern und Polizist:innen könnten, wenn sie Catcalling beobachten, direkt eine Geldstrafe von den Tätern kassieren – ähnlich wie beim Falschparken oder, wenn jemand ein Kaugummi auf die Straße spuckt.
Ein Gesetz zeigt: Dieses Verhalten wird nicht toleriert
Allem voran hätte ein entsprechendes Gesetz aber eine symbolische Wirkung und würde Frauen den Rücken stärken. Es würde zeigen: Wir sehen das Problem und wir dulden es nicht. Viel schöner wäre es natürlich, wenn es das alles gar nicht mehr bräuchte, wenn Männer und Jungs sich kritisch mit der Thematik auseinandersetzen würden und lernen, Frauen respektvoll zu behandeln. Doch bis es soweit ist, würde ich dem nächsten Catcaller schon gerne mindestens eine saftige Geldstrafe aufs Auge drücken.
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