Vorzeitige Wechseljahre können hart sein: Nicht nur die richtige Therapie kann Frauen helfen, Symptome zu lindern, auch ein positiver Umgang mit der frühen Menopause hilft.
Wechseljahre mit 37 - so früh kann es passieren
Zwei Tage vor ihrem 37. Geburtstag saß Jenny Künzi bei ihrer Gynäkologin. "Sie sind in den Wechseljahren", erklärte ihr die Ärztin. Künzi war geschockt. "Ich war wie in Trance, damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet“, erinnert sich die Verwaltungsangestellte. Rückblickend passt auf einmal alles zusammen: die nächtlichen Schweißausbrüche, das Herzrasen, die schwache Periode, die Migräneattacken und die Stimmungsschwankungen. "Ich bin ein fröhlicher und aktiver Mensch, reise viel und liebe es, mich zu bewegen", erzählt die Bernerin. "Nur die letzten Monate war ich auffällig unzufrieden mit meinem Leben gewesen, menschenscheu und antriebslos, fühlte mich oft leer und traurig." Selbst das Tanzen, Künzis große Leidenschaft, interessierte sie kaum noch. "Ich dachte, ich sei depressiv." Doch ihre Symptome gehören zu keiner Depression und keinem Burnout – sie sind schlicht die Folge der versiegenden Hormone.
Vorzeitige Wechseljahre - jede zehnte Frau ist betroffen
Etwa jede zehnte Frau ist hierzulande von frühen Wechseljahren betroffen, auch Klimakterium präcox genannt. Ihre Eizellreserven erschöpfen sich vor dem 40. Lebensjahr, manchmal schon im jungen Erwachsenenalter. Für die meisten Frauen ist es schwierig, mit dieser frühen Veränderung klar zu kommen.
Kinderwunsch, Sexualität, seelisches und körperliches Wohlbefinden – so vieles ist an unseren Hormonzyklus gekoppelt
Wenn Östrogen und Progesteron versiegen, sinkt zudem der natürliche Schutz vor Herzinfarkt, Knochenschwund und Demenz. Doch es gibt Hilfe: Medizinische Therapien und professionelle Beratung unterstützen die Frauen auf dem Weg in eine neue Lebensphase.
Hitzewallungen & Co. - das sind die Symptome verfrühter Wechseljahre
Die Anzeichen verfrühter Wechseljahre wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen unterscheiden sich zunächst kaum von denen der zeitgerechten Menopause. Häufig aber sind die Symptome auch diffus und unspezifisch. Konzentrationsprobleme können auftreten, viele fühlen sich kaputt und müde. Aber auch Zweifel am Leben, an Partnerschaft und Beruf gehören dazu. Plötzlich scheint nichts mehr richtig zu sein. "Frauen, die solche Veränderungen bemerken, sollten nicht nur an Belastungen im Alltag denken, sondern auch mal einen Termin beim Frauenarzt machen", empfiehlt Nicole Sänger, Leiterin der Abteilung für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Universitätsklinik Bonn. Ein Bluttest gibt Gewissheit: Wenn Östrogen und Progesteron erniedrigt sind, zeigt das den Eintritt der Wechseljahre an. Zugleich steigt das Hormon FSH an, das die Hormonproduktion in den Eierstöcken steuert.
Schwächelnde Eierstöcke - das sind die Ursachen
Die Ursachen für die schwächelnden Eierstöcke sind vielfältig. Manche erben die Veranlagung, wie Jenny Künzi. Auch bei deren Mutter blieb die Periode mit 38 aus. Andere Frauen müssen sich ihre Eierstöcke entfernen lassen oder wegen einer Krebserkrankung einer Chemotherapie unterziehen. Bei wieder anderen funktioniert der Eierstock von Geburt an nicht richtig. Möglicherweise zerstört auch eine fehlgeleitete körperliche Immunabwehr das Gewebe der Eierstöcke. Neuerdings sind sogar Umweltgifte in der Diskussion, welche die körpereigene Hormonproduktion drosseln sollen.
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Hormone - so kann man die Symptome lindern
Verhindern lassen sich verfrühte Wechseljahre derzeit noch nicht. Doch man kann etwas gegen die lästigen Symptome tun. Künzis Gynäkologin riet zu Hormonen, weil die junge Schweizerin bereits unter beginnendem Knochenschwund litt. Trotz ihrer Skepsis schluckte sie die Tabletten; doch nach ein paar Monaten kehrten die Symptome zurück. Erst die Wechseljahresambulanz am Inselspital in Bern wusste Rat. "Die Expertise dort hat mir sehr geholfen. Ich wurde zu verschiedenen Hormonen und alternativen Methoden beraten", sagt Künzi. Inzwischen nimmt die 38-Jährige eine Kombination aus Pflaster und Tabletten, die gut zu wirken scheint.
Ein gesunder Lifestyle ist gut für die Gesundheit
Viele Frauen stehen der Hormonersatztherapie kritisch gegenüber. „Wir setzen Hormone heute sehr viel vorsichtiger ein als noch vor ein paar Jahrzehnten“, bestätigt auch Sänger. Dennoch befürworten Ärzte gerade bei verfrühten Wechseljahren die Therapie. Auch Sänger sieht mehr Vor- als Nachteile: „Das geringe Risiko für Brustkrebs steht beispielsweise dem großen Nutzen für die Knochen gegenüber.“ Außerdem geht es bei der Hormonersatztherapie um eine begrenzte Zeit: „Die Indikation sollte alle zwei Jahre überprüft werden. Sie kann auch über den Zeitraum des natürlichen Wechseljahreseintritts hinausgehen“, so Sänger. Alternativ oder ergänzend zu Hormonen verschreiben Mediziner auch alternativ- und komplementärmedizinische Methoden wie pflanzliche Produkte, Hormonyoga und Akupunktur. Sänger rät allen Betroffenen zusätzlich zu einem gesunden Lifestyle: „Er hilft, das Gesundheitsrisiko zu senken.“ Wer nicht übergewichtig ist, aufs Rauchen verzichtet und sich viel bewegt, schont Knochen, Herz und Hirn trotz des Hormonmangels.
Unterstützung bei der Umstellung
Dennoch: Die Umstellung ist riesig. Und viele Frauen brauchen dabei Unterstützung. Mirjam Spitzner vom Hamburger Institut für Paar-und Sexualtherapie (HIPS) möchte allen Mut machen, sich aktiv auf die neue Lebensphase einzustellen. Im ersten Schritt geht es dabei um Trauer: "Die frühen Wechseljahre sind ein Abschied: von der Fruchtbarkeit, von einem möglichen Kinderwunsch, von der gewohnten Sexualität", sagt Spitzner. Doch wenn die letzte Träne weggewischt ist, sollten Frauen sich neu aufstellen. "Wenn klar ist, dass keine Kinder mehr kommen können, ist es Zeit, die Partnerschaft neu zu sortieren", sagt die Therapeutin.
Veränderte Sexualität nach der Menopause
Auch ihre Sexualität empfinden viele Frauen vor und nach der Menopause unterschiedlich. Manche haben weniger Lust. Relativ viele Frauen leiden unter trockenen Schleimhäuten. Für viele, so Spitzner, sei diese Phase das erste Mal, dass sie sich bewusst mit der eigenen Weiblichkeit, Sexualität und dem Geschlecht auseinanderzusetzen. Das kann auch eine Chance sein. „Wenn manche Sachen nicht mehr gehen, bedeutet das nicht, es geht gar nichts mehr“, betont die Therapeutin. Das eigene sexuelle Repertoire zu erweitern, setzt aber immer voraus, dass man miteinander spricht. Wem dies schwer fällt, der kann sich professionelle Unterstützung holen.
Constanze Löffler ist Autorin ("Medizintexte") und arbeitete zuvor einige Jahre als Frauenärztin. Themen rund um die weibliche Gesundheit liegen ihr deshalb besonders am Herzen.
Alte Lebensphase verabschieden- Platz für Neues schaffen
Auf Dauer ist der aktive Umgang mit der Veränderung vielleicht sogar der wichtigste Schritt für die Frauen. "Es geht darum anzunehmen, das so ist, und nicht damit zu hadern", meint Spitzer. Das Leben geht weiter. Und sich von einer Lebensphase zu verabschieden, heißt auch, Platz für Neues zu schaffen.
Lebensfreude durchs Tanzen - Versöhnung mit dem Körper
Wie bei Jenny Künzi aus Bern. Die Burlesque-Tänzerin fand ihre Freude am Bewegen wieder und gründete mit zwei Freundinnen die Tanzgruppe Burlangels. "Die Burlangels möchten Frauen Mut schenken, zu ihrer Weiblichkeit zu stehen und diese ausleben zu dürfen", sagt Künzi. „Alter, Größe und Körperform spielen bei uns keine Rolle!“ Heute ist Künzi komplett versöhnt mit ihrem neuen Frausein. Der Weg dahin war ein Auf und Ab. Gestützt fühlt sie sich von ihrem Partner und einem großen Freundeskreis. Hat sich ihr Leben ansonsten verändert? Sie ist ruhiger geworden. "Früher war ich jeden Abend auf Achse und ständig auf Reisen, das Leben ist an mir vorbeigeflogen", sagt Künzi. "Heute bin ich fokussierter. Ich gehe zu weniger Events, kann auch mal allein zu Hause sein. Dafür genieße ich es umso mehr, wenn ich auf der Bühne stehe oder einen Tanz-Workshop gebe."
Vorzeitige Wechseljahre: Diese Tipps helfen weiter
- Die ToxFox-App vom BUND erkennt Produkte mit hormonaktiven Substanzen.
- POI registry ist das internationale medizinische Register für Frauen mit vorzeitigen Wechseljahren bzw. einer vorzeitigen Eierstockinsuffizienz (POI).
- Hinter Daisynetwork verbirgt sich das Betroffenen-Netzwerk in Großbritannien. Am 8. Juni findet im Chelsea and Westminster Hospital in London der jährliche DAISY-Day statt (Mitglieder: £20, Nicht-Mitglieder: £25).
- Der Menopausen-Selbsttest (ca. 8 bis 20 Euro) aus der Apotheke misst die Konzentration von FSH im Morgenurin. Gewissheit, ob die Frau tatsächlich in den Wechseljahren ist oder nur eine Hormonschwankung vorliegt, gibt der Test nicht. Die finale Diagnose muss ein Arzt stellen.