El Hotzo im Interview
"Ich bin genau der Typ, über den ich mich die ganze Zeit lustig mache"
Fast 1,8 Millionen Leute folgen Sebastian Hotz auf Instagram und Twitter. Als El Hotzo hat er sich dort als Meister der Memes etabliert. Aber wenn er in seinen Snoopy-Spiegel guckt, fragt er sich schon mal, ob er nicht auch nur ein "Ehrgeizling" sei. Fishing for Compliments?
Mittwoch, 28. Juni 2023
Lesezeit ca. 8 Minuten
Bild: PR
Egal, ob auf Instagram oder auf Twitter: Wer Sebastian Hotz folgt, begibt sich auf eine emotionale Achterbahnfahrt. In schönster Gelassenheit haut der 27-Jährige da als El Hotzo fast täglich bis zu zehn Memes raus, satirische, sarkastische Sprüche, mit denen er die Lage der Welt kommentiert oder einfach seine eigene Gefühlslage, die den Nerv von vielen trifft, Kommasetzung nach Gefühl inklusive: "man weiß nicht ob die Aliens irgendwann kommen, aber man weiß, dass man wenn sie kommen am nächsten Tag zur Arbeit muss". Und wie in der Achterbahn verursachen viele seiner Beobachtungen ein flaues Gefühl im Magen, und trotzdem swiped man mit einem Grinsen weiter. Damit hat er sich eine enorme Followerschaft aufgebaut, macht außerdem den Podcast "Hotz & Houmsi" und hat gerade seinen Debütroman verfasst: "Mindset" (KiWi, 23 €). Grund genug, dass er uns zwei Jahre nach unserer ersten Anfrage ein Interview gibt. Endlich!
emotion: Sebastian, du bist auf Instagram und Twitter für die kurze Form bekannt, ist so ein Roman für deine Follower:innen nicht ein bisschen viel Text?
El Hotzo: Ich habe tatsächlich mal nachgerechnet: Mein Roman entspricht 3000 Tweets. Das ist ungefähr mein Tweet-Jahrespensum. Und natürlich muss meine Community das auch gar nicht alles lesen, es reicht mir, wenn sie das Buch kaufen.
Wir alle haben eine Vorstellung von einem gelungenen Leben, wie sieht deine aus?
Dass ich halbwegs glücklich bin und keinen Mitmenschen durch mein Glück unglücklich mache. In meiner einfachen Vorstellung von Glück mache ich vielleicht nicht nur mein eigenes Leben, sondern auch das Leben eines anderen Menschen etwas besser.
Mirko und Maximilian heißen die Protagonisten in deinem Romandebüt "Mindset", wie steht es um ihr Glück?
Die wollen auch glücklich sein. Sie verzweifeln dabei an der Frage, ob ein Job mit einer 40-Stunden-Woche, den man 50 Jahre durchzieht, ein Grundpfeiler von Glück sein kann. Ihr Lösungsansatz ist die Selbstoptimierung. Und sie denken, für alles Unglück, das ihnen widerfährt, sind nur sie selbst verantwortlich. Sie gehen nur leider vom falschen Ausgangspunkt los, mehr spoiler ich aber nicht.
Auf mich wirken sie wie Männer im Halbdunkel der Durchschnittlichkeit, die sehnsüchtig auf ihren Funken Fame hoffen. Sie wirken innerlich ruhelos und stark getrieben. Stehen sie für ein Männlichkeitsbild deiner Generation?
Die sozialen Medien und jedes Werbeplakat sind eine ständige Aufforderung, sich zu vergleichen. Selbstverständlich löst das Ratlosigkeit bei diesen Männern aus. Die innere Unruhe kommt vom permanent vorgelebten perfekten Leben.
Was wäre, wenn Männer das Vergleichen einfach sein ließen?
Ich bin überzeugt, Glück ist auch in der Durchschnittlichkeit möglich. Im Mittelmaß kann es kuschelig und schön sein, aber das wird leider oft übersehen.
Du kommst aus der Provinz, hast dann in Erlangen ein duales BWL-Studium absolviert und anschließend in Bielefeld Wirtschaftspsychologie studiert. Hättest du da bleiben sollen, statt nach Berlin zu ziehen?
Ich habe mich immer gefragt, wie die Kollegen in meiner alten Abteilung ihr Leben aushalten. 30 Jahre denselben Job durchziehen! Aber für einige ist die Arbeit nicht der Lebensmittelpunkt. Sie fahren nach Hause, da wedelt ein Golden Retriever in der Einfahrt und die Welt ist in Ordnung. Der Rückzug ins Private ist nichts Schlechtes.
El Hotzo! Schlummert in dir etwa die Sehnsucht nach einem Carport und einem Trampolin im Garten?
Das lasse ich mir offen, vielleicht wechsle ich irgendwann zurück in meinen alten Job als ausgebildeter Industriekaufmann, bei einem sehr großen Energieunternehmen in Erlangen. Da war ich im kaufmännischen Innendienst.
Gerade sieht deine Welt anders aus, emotion hat dich als "Meme-Gott" angekündigt, was kann ein Meme?
Dich für drei Sekunden ablenken. Du kannst es weiterleiten, und es erfreut den nächsten. Ein Meme ist ein kleines, warmes Anstupsen in der digitalen Welt.
Schafft das auch ein fieses Meme?
2023 habe ich mir vorgenommen, meinen Zynismus zu überwinden und nur noch liebe, süße Inhalte zu versenden.
Ich bekomme Angst. Werden wir von dir mit Katzen-Memes geflutet?
Warum nicht? Wobei – ich bin eine Hundeperson, aber ich habe mit Katzen meinen Frieden geschlossen.
Wer ist El Hotzo aus der Sicht von Sebastian Hotz?
El Hotzo, das bin ich im Internet. Einfach ein anderer Name. Ich bin keine Kunstfigur.
Glaubst du, es kommt eine Zeit, El Hotzo abzulegen?
Mit 35 möchte ich nicht mehr diese Internetfigur sein. Irgendwann wird es passieren, ich werde mich häuten.
Was hast du für einen Zugang zu deiner Followerschaft?
In 99 Prozent der Fälle sind es angenehme Begegnungen. Es ist eine freundliche und hilfsbereite Followerschaft. Das restliche Prozent ist nervig und vergessenswert. Auf der anderen Seite: Wer ist nicht nervig im Internet? Dieser ganze Karrierebaustein basiert darauf, dass auch ich nervig im Netz bin.
Du leidest nicht unter Shitstorms? No hate? Verletzt dich nichts und niemand, oder trägt deine verletzliche Seite einen dicken Neoprenanzug?
Ich bin ein weißer Mann im Internet und habe dadurch schon mal 90 Prozent weniger Hate als Frauen oder eine Person of Color, die das Gleiche machen wie ich. Es ist einfacher, ich zu sein und diesen Job zu machen, als mit einer anderen Identität. Aber ich habe durchaus viele Hater und Leute, die mir eine weitere gebrochene Nase wünschen. Ich bin auch nur ein zu groß gewordener Internet-Troll, dadurch kann ich gut einordnen, wie ernst etwas gemeint ist.
Wie lassen sich Shitstorms vermeiden?
Wenn du was Beschissenes gesagt hast, entschuldige dich. Räum Fehler jenseits der roten Linie ein. Wenn ein Joke daneben gegangen ist, lösch deinen Post.
Du bewegst dich im Dauerrauschen des Netzes extrem souverän und erfolgreich, was ist das Geheimnis deiner Positionierung?
Ich nehme mich nicht wichtig. Mich erstaunt immer wieder, wie manche Prominente sich völlig unbedarft im Netz bewegen, dabei sind die doch die ganze Zeit online genau wie ich.
Jetzt tu doch nicht so, als hättest du kein großes Ego!
(lacht) Ich bin nicht der Intellektuellste in diesem Land, aber wenn mich jemand auf einen Fehler aufmerksam macht, lerne ich dazu.
Wer sind deine Sparringspartner:innen in einem aktuellen Diskurs?
Ich habe einen schlauen Freundeskreis, im echten Leben und im Internet. Davon profitiere ich. Ich sauge sie einfach mit ihrem Wissen aus, klaue ihre klugen Gedanken und fahre diese auf mein Niveau herunter.
Tweets sind vergänglich, willst du mit deinem ersten Buch "Mindset" jetzt etwas hinterlassen?
Der Inhalt von "Mindset" wird sicherlich nicht mit einer aktuellen Stunde im Bundestag belohnt. Mein Roman füttert nur mein Bedürfnis, über etwas zu schreiben, was mich bewegt: Selbstoptimierung ist so tieftraurig, dazu die Finanzwelt und protzende Männlichkeitsrituale. Meine Protagonisten sind echte Trottel. Das Buch soll nur ein paar Stunden unterhalten, ich lenke Menschen gern ab, ich habe nichts revolutioniert und das ist okay.
Deine Protagonisten sind junge, weiße, "biodeutsche" Männer. Sie haben keine Kinder, haben weder Scheidungen, noch Flucht oder Krieg erlebt. Sie sorgen sich eher um die richtigen Sneakers, ob ihr Slim-fit-Anzug gut und ihr Dreitagebart perfekt ist.
Ja, es gibt keine Lebenswunden, woher denn auch. Noch sind ihre großen Krisen nicht da, sie können sich einfach mit den Nebensächlichkeiten einer coolen Uhr beschäftigen. So bin ich auch aufgewachsen, Corona war der erste harte Bruch, der unser Leben verändert hat. Dieses Erlebnis war vielleicht nicht besonders bemitleidenswert und wenig individuell, aber es hat uns verunsichert. Daraus wächst bei Maximilian und Mirko das Gefühl, eine Ambition haben zu müssen. Dass diese zwei Typen stinkreich werden, ist dabei kein gesellschaftlicher Wunsch, die Gesellschaft will einfach nur, dass die ihre Arbeit machen.
Was für gesellschaftliche Erwartungen gibt es denn heute an Männer? Und was ist mit deinen Ambitionen?
Ich war ein enorm nerviges Kind und ein enorm nerviger Teenager. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich etwas Besonderes bin. Aber ich war wohl nur besonders nervig. Ich habe mich dann früh damit abgefunden, dass es nichts wird mit dem großen Applaus in dieser Welt.
Das ist ja doch anders gekommen.
Ja, und das ist den Zufälligkeiten des Internets zu verdanken. Aber ich habe Frieden geschlossen mit meiner Durchschnittlichkeit und blicke darauf nicht herab. Zufrieden sein mit dem, was ich habe, ist in meinen Augen das Schönste, was ich erreichen kann.
Ambitionslos kommst du mir aber nicht vor. Schlummert in dir nicht doch ein Wolf, der mehr will?
Ich bin nie zufrieden mit dem Erreichten. Ich will immer noch etwas Besseres liefern – das bekomme ich aber nicht so einfach hin. Und ja, der Wolf existiert auch in mir. Vielleicht muss ich aufhören, mich für die viele Aufmerksamkeit zu rechtfertigen.
Wie macht er sich bemerkbar, dein Hunger nach neuen Projekten?
Gestern Abend wusste ich zum Beispiel nicht, wohin mit mir. Buch geschrieben, Hörbuch eingelesen, und ich dachte dennoch, irgendwas muss ich jetzt dringend noch arbeiten. Ich habe im Flur in meinen Snoopy-Spiegel geschaut und gemerkt, ich bin genau der Typ, über den ich mich die ganze Zeit lustig mache. Ein Ehrgeizling, ein dummer Wichser. Beim Scrollen oder Rumhängen auf Twitter denke ich wirklich: Jetzt informiere ich mich und bilde mich fort. Es ist reine Beschäftigungstherapie, damit ich mich nicht mit eigenen Gedanken beschäftigen muss.
Ist Scheitern dir fremd?
Das ganze Industriekaufmann-duales-Studium-Ding hat sich lange wie Scheitern angefühlt. Konzepte, die ich pitche, werden nicht angenommen und jeder Ballkontakt beim Fußballspielen war ein fieses Scheitern.
Warum ist das Thema Arbeitswelt so oft Inhalt deiner Tweets?
Ich glaube, wir denken nicht genug über Arbeit nach. Zumal wir in 40, 50 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit mehr Geld für unseren Arbeitgeber erwirtschaften als für uns selbst.
Schaut die Gen Z, deine Generation, kritischer auf die Arbeitsbedingungen als die Gen X und die Boomer?
Mein Jahrgang ist eher der eines Millennials, denn ich bin in Franken aufgewachsen, und die waren in allem etwa 10 Jahre hinterher (lacht). Selbst wenn die Gen Z gerade lauter wird, mehr für sich einsteht, haben wir keinen organisierten Arbeitskampf. Die Boomer waren tatsächlich besser darin, gemeinsame Forderungen zu stellen, als wir Jüngeren in unserer individualisierten Arbeitswelt. Wir könnten die Kämpfe zu besseren Arbeitsverträgen für alle organisierter führen, wenn wir uns mehr organisierten. Ich liebe meinen Job, ich arbeite gern und lasse mich leider permanent von mir selbst ausbeuten.
Bist du ab und zu ein Anti-Influencer, El Hotzo? Auf deinen Accounts lehnst du Werbung ab.
Ich will nicht meine Influencer-Kolleg:innen dissen, aber ich lehne Werbeanfragen aus einer ideellen Haltung ab und vor allem wäre es mir peinlich. Ich kann keine gesellschaftlichen Satire-Tweets absetzen und daneben Auto-Werbung platzieren. Natürlich vermarkte ich mich selbst, wie jeder Influencer. Aber ich habe leider nicht das Gesicht, dass mich tausende Menschen einfach so liken, ich muss mit Inhalten punkten.
Wenn "Mindset" jetzt den Buchmarkt erobert, was bleibt uns Leser:innen, wenn wir dein Buch gelesen haben?
Es bleibt, dass Männer Mitte Zwanzig auf keinen Fall ernst zu nehmen sind. Es bleibt, dass eine verzweifelte Suche nach Erfüllung nicht das schlechteste ist. Es bleibt ein Plädoyer für eine Lüge, wenn die einen selbst und die Menschen um dich herum glücklich macht.
Dieser Artikel erschien zuerst im emotion Magazin.