„Als Paar kommen wir gut durch den Alltag, aber als Liebende gehen wir uns gerade verloren.“ Diesem Satz würdest du zustimmen? So geht’s vor allem denen, die als Team super eingespielt sind. Doch es lässt sich auch fix ändern: Fangt an, euch neugierig Fragen zu stellen!
Der Job, die Suche nach einer anderen Wohnung, Geburtstage, Yogalates und Mülltrennen – es steht oft eine Menge auf dem To-do-Zettel des Lebens. Und mit Kindern noch viel mehr. Toll ist, wenn man das als Paar hinbekommt. Genauer: sich nur selten wegen des Wocheneinkaufs fetzt, Verständnis dafür hat, dass der Partner bei der Arbeit gerade durchstartet (und deshalb beim nachbarschaftlichen Wintergrillen nicht dabei ist) und beide die Quittungen für die Steuererklärung rechtzeitig suchen und finden. Das fühlt sich gut an. Nach: Wir schaffen das, wir sind ein Team! Dieses effiziente Funktionieren als Paar erzeugt jedoch auch Kosten: Abstand, abgekühlte Gefühle oder ein Bruder-Schwester-Feeling.
Die Sehnsucht ist da, aber die Energie fehlt
Es läuft oft nach dem (unausgesprochenen) Motto ab: „Wenn ich mir auch noch Gedanken darüber machen muss, ob du glücklich bist oder sexuelle Fantasien hast, über die wir noch nie gesprochen haben, dann schaffe ich das hier alles nicht mehr. Das verstehst du doch, oder?“ Und der andere nickt (unsichtbar): „Klar, geht mir doch genauso.“ Leidenschaft, Nähe, Intimität (und die emotionalen Risiken, die damit unweigerlich verbunden sind) werden in stiller Übereinkunft in einer verschlossenen Box verwahrt. Das kann für eine Zeit gut gehen, dauerhaft aber meist nicht. "Wenn aus einem Paar ausschließlich ein Team geworden ist, werden Distanz und Langeweile fast immer herausfordernde Mitspieler in seiner Beziehungsdynamik", sagt der Berliner Paartherapeut Wolfgang Krüger.
Wie kann der Weg zurück zu mehr Innigkeit aussehen?
Klar, Paarcoaching oder Therapie sind Optionen. Wir können aber genauso auch gleich und hier etwas tun: unserem Partner (wieder) Fragen stellen! Und zwar nicht: Haben wir noch genug Hafermilch für morgen? Sondern: Wie geht es dir gerade? Am Anfang, in der Phase des Verknalltseins, wollen wir alles Mögliche vom anderen wissen: Wer sind deine Lieblingsautor:innen? Magst du Haustiere? Hast du geheime Talente? Wir erzählen uns gegenseitig unser Leben, sind begierig nach jedem Detail. Die Psychologin Karen Huang, die an der Georgetown University in Washington, USA, lehrt, untersuchte, was Menschen sympathisch und liebenswert erscheinen lässt. Der Zuneigungs-Booster beim Kennenlernen: vertiefende Rückfragen! Wer neugierig nachhakt und die Antwort des Gegenübers nicht nur als Sprungbrett nutzt, um schnell wieder über sich zu sprechen, signalisiere Zugewandtheit und wirkliches Interesse, und das wecke besonders viel Sympathie.
Daran sollten wir uns wieder erinnern, wenn sich ein Gefühl der Fremdheit eingeschlichen hat. Es spricht nichts dagegen, sich am Nachmittag einmal drei Fragen zu überlegen, die man seinem Schatz abends stellen möchte. Vielleicht: "Was ist heute für dich besonders gut gelaufen?" "Was müsste passieren, damit es noch ein perfekter Tag für dich wird?" Oder: "Wenn du eine Sache in unserem Leben sofort ohne Aufwand ändern könntest, was wäre es?" Klingt am Anfang vielleicht etwas gestelzt und unspontan. Egal. Wichtig ist, aus dem routinierten Redemodus auszubrechen.
Eine gute Frage öffnet den (Beziehungs-)Raum
Und ja, ein Ergebnis solcher Fragen kann auch sein, dass Wut oder Tränen hochkommen. Aber genau so entsteht wieder Nähe. In der systemischen Therapie und Beratung sind Fragen nicht umsonst ein zentrales Element. Eine gut gestellte Frage lädt zu Antworten in ganz unterschiedlichen Richtungen ein, sie öffnet den (Beziehungs-)Raum. Und wenn einem gar keine einfällt, geht auch diese: "Welche Frage würdest du gern einmal von mir gestellt bekommen?" Wer mit der Beziehung gerade unzufrieden ist, kann natürlich auch ein Statement machen: "So geht es nicht weiter." Aber das steht dann da wie ein sperriger Klotz. Fragen sind leichter – und dennoch leitend. "Fragen sind zwar 'formal' schwach in dem Sinn, dass sie viel leichter angenommen werden als etwa eine Aufforderung oder gar ein Befehl, doch sie lenken die Aufmerksamkeit und können so entscheidend zum Verlauf eines Gesprächs beitragen", loben die beiden Psychologen Arist von Schlippe und Jochen Schweitzer die positive Wirkung des Wer-Wie-Was.
Dass intensives Fragen schnell Nähe erzeugt, zeigte Arthur Aron, Psychologieprofessor an der State University of New York/USA, in seiner berühmten Studie. Er ließ Proband:innen, die sich vorher nicht kannten, entweder Small Talk führen oder er gab ihnen einen Fragenkatalog vor, der recht intim war. Zwischen Letzteren entstand in kurzer Zeit ein starkes Gefühl von Vertrautheit und Verbundenheit. Bei den Small-Talk-Teams war das nicht der Fall. Nur drei der 36 intimen Fragen aus Arthur Arons Experiment: 1. "Wärst du gern berühmt? Wie würde das sein und wie wärst du?" 2. "Hast du jemals geprobt, was du sagen willst, bevor du jemanden angerufen hast? Warum?" 3. "Wenn du auf deine Erziehung zurückblickst und du heute etwas ändern könntest: Was würdest du ändern?"
Was Fragen bewirken können – im Positiven wie im Negativen
Gute Fragen können Beziehungen intensivieren (und nebenbei auch Projekte voranbringen und Karrieren pushen). Wenn wir etwas fragen, das wir nicht wissen, machen wir uns verletzlich, zeigen dem anderen unsere Schwäche – diese Haltung tut jeder Partnerschaft gut. "Mit Fragen bereiten wir uns selbst einen hell ausgeleuchteten Weg, um mit anderen zusammenzuwirken und Dinge zu erforschen", schreibt die Psychologin Marilee Adams, die das Selbstcoaching-Programm "Question Thinking" entwickelt hat. Dennoch: Fragen sind nicht per se gut! Oder anders gesagt: Wenn etwas wirkt, hat es auch Nebenwirkungen. Das Bonmot "Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten" wird oft zitiert, zutreffend ist es trotzdem nicht. Denn es gibt auch verunsichernde, eitle oder verletzende Fragen und solche, die Unterhaltungen vergiften. Entscheidend ist, sie bei sich selbst und anderen zu erkennen – und dann bewusst auf die konstruktive Seite zu wechseln.
Selbst das im weltbekannten Sesamstraßen-Song so liebevoll aufgezählte "Warum" ist manchmal nicht ohne. Denn gar nicht so selten verpacken wir Kritik in eine Frage, die mit einem "Warum" eingeleitet wird. "Warum hast du mir das nicht gesagt?", "Warum kommst du (immer) zu spät?" Warum-Fragen werden vom Partner oder der Partnerin häufig als Angriff verstanden oder zumindest als Aufforderung, sich zu rechtfertigen. Meistens enden solche Gespräche wenig erfreulich. Wenn wir unser Gegenüber im Ärger am liebsten mit einer Kaskade von "Warum"-Fragen traktieren wollen, lohnt es sich, einmal durchzuatmen und auf das Wörtchen "Wofür" umzuschwenken. Das mag sich erst mal ungelenk anhören, hat aber tatsächlich einen anderen Effekt: Die Erkundigung "Wofür ist es eigentlich gut, dass du zu spät kommst?" klingt eher nach Neugier auf den anderen als ein patziges "Warum kommst du schon wieder zu spät?".
Es gilt, das Ganze behutsam einzusetzen und sich nicht als superreflektierte Therapeutin aufzuspielen, sonst kann der Versuch schnell nach hinten losgehen. Wenn das gelingt, können wir mit einem "Wofür" den Vorteil von schwierigem Verhalten erkunden (den gibt es nämlich fast immer!) und so bessere Lösungen finden. Und man lädt den anderen ein, ebenfalls einen Schritt zurückzutreten und über sein Handeln nachzudenken. Eingefahrenes wird so flexibler, Verhärtetes weicher und wir wieder wacher füreinander.
Diese unterschiedlichen Arten von Fragen gibt es übrigens:
- Geschlossene Fragen sind so formuliert, dass man sie kurz und knapp, oft sogar mit einem einzigen Wort beantworten kann: "Ja", "Donnerstag", "120 Euro". Nicht sehr charming, aber extrem hilfreich, um als Paar Konkretes zu klären, sich zu vergewissern und Klarheit zu verschaffen. Als Intimitäts-Booster aber wenig geeignet.
- Offene Fragen können nicht einfach mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden. Sie erweitern im besten Fall den Fokus und helfen, tiefer miteinander ins Gespräch zu kommen.
- Spiegelnde Fragen signalisieren, dass wir aufmerksam zuhören und wirklich verstehen wollen. Man kann sie gar nicht oft genug stellen, am besten, indem man dabei die Worte des anderen wiederholt: "Verstehe ich es richtig: Dir ist es vor allem wichtig, dass wir im nächsten Urlaub Zeit mit Freunden verbringen, der Ort ist nicht entscheidend?" Oder: "Du bist also gar nicht gelangweilt von mir, sondern einfach nur müde?"
- Inspirierende (hypothetische) Fragen laden zu Gedankenspielen ein und dazu, mal die Perspektive zu wechseln – typisch ist die Konjuktivform. "Was wäre denn, wenn du diesmal Nein sagst?" Oder: "Könnte es sein, dass es um etwas anderes geht?" Oder "Was würde dein Freund über unsere Beziehung sagen?"
Dieser Text erschien zuerst in EMOTION 01/22.
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