In den letzten Jahren wird Frauensport, insbesondere Frauenfußball, immer beliebter – endlich! Auf der Streaming-Plattform Dazn wird ihm nun ein eigener Sender gewidmet. Das war dringend nötig, erklärt uns Dazn-Chefin Alice Mascia im Interview.
Was hast du vor Augen, wenn du an Fußball denkst? Lass uns raten: einen Mann. Das ist gar nicht deine Schuld, schließlich wurde Männersport – insbesondere Männerfußball – über Jahrzehnte gefördert und in den Fokus gerückt. Athletinnen hingegen wurden lange stiefmütterlich behandelt. Damit soll nun Schluss sein, jetzt sind die Frauen dran! 2022 war das Finale der Frauenfußball-EM das meistgeschaute Sport-Ereignis im deutschen Fernsehen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass sich etwas ändert.
Dazn Rise: Der erste Sender nur für Frauensport
Auch der Streaming-Dienst Dazn will zur Gleichberechtigung im Sport beitragen und hat jetzt den ersten Sender in Deutschland und Österreich ins Leben gerufen, auf dem nur Frauensport übertragen wird, von Fußball über Handball bis hin zu Golf, Basketball und Hockey. Dazn Rise ist am 16. März an den Start gegangen. Der Channel ist kostenlos zunächst über Samsung TV Plus und waipu.tv abrufbar, bald soll er auch über die Plattformen LG und Cliq empfänglich sein.
Ein Frauensport-Sender hört sich erst mal nach einer guten Idee an, endlich bekommen Athletinnen die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Aber wird durch das Separieren vom Männersport nicht auch reproduziert, dass Frauensport ein Nischeninteresse ist? Sollte Sport nicht einfach Sport sein, unabhängig von Geschlecht und Gender? Das haben wir auch Dazn-CEO Alice Mascia gefragt, die uns erklärt, wieso es gerade einen Frauensport-Sender braucht und wie sie damit die Sport-Industrie revolutionieren möchte.
Dazn-CEO Alice Mascia im Interview
EMOTION: Wie kam die Idee zu Dazn Rise zustande?
Alice Mascia: Dazn investiert schon eine Weile in Frauensport. Wir hatten uns bereits die Rechte für die Frauen-Champions-League und die spanische und französische Frauenfußballliga gesichert, ab September zeigen wir auch die deutsche Frauen-Bundesliga. Frauensport gehört die Zukunft. Er ist ein äußerst wichtiger und großer Entwicklungsbereich für die gesamte Sportindustrie. Gleichzeitig haben die FAST-Kanäle, also frei empfangbare Streaming-Kanäle, in den letzten Jahren ein exponentielles Wachstum erlebt. Wir kombinieren beide Dinge.
Rise heißt auf Deutsch "steigern". Wofür steht der Name?
Es geht darum, mehr Sichtbarkeit zu schaffen, mehr Aufmerksamkeit, mehr Gleichberechtigung im Sport. Wir wollen neue Vorbilder nach vorne bringen, für Jungs und für Mädchen.
Wie wollen Sie das schaffen?
Indem wir Sport in den Medien neu denken. Bisher haben wir den Männersport als Goldstandard angesehen, an dem sich alles orientiert. Davon können wir uns für Dazn Rise bestimmt einiges abschauen, aber das bedeutet nicht, dass wir alles genauso machen werden. Wir wollen lieber neue Wege finden, Sporterlebnisse für die Menschen zugänglich zu machen, indem wir zum Beispiel andere Kameraeinstellungen benutzen oder den Sport anders in Szene setzen. Wir haben die Chance, Neues auszuprobieren. Unsere Vision für den Frauensport auf Dazn ist es, den Wandel zu beschleunigen, indem wir Innovationen in den Geschäftsmodellen, bei der Ausstrahlung und im Marketing einführen. Natürlich sind damit, wie bei jedem Venture, auch Risiken verbunden.
Inwiefern?
Für Dazn Rise sind wir aus unserer Komfortzone getreten. Dazn ist eigentlich für seinen Abo-Service bekannt und Frauensport ist im Sport-Business noch ein relativ unerforschtes Gebiet, sowohl kostenlos als auch kostenpflichtig.
Wieso wurde Frauensport bisher so vernachlässigt?
Die Sportindustrie in Europa hat sich in um ein bestimmtes Business-Modell gebildet, das sich stark auf den Männerfußball fokussiert, dafür gibt es historische Gründe. Marken und Vereine haben in dieses Modell investiert und ein Ökosystem geschaffen, indem sich vor allem Jungen wiederfinden können. Deswegen ist es so wichtig, Athletinnen zu fördern und neue Vorbilder zu schaffen. Wir wollen dazu beitragen, ein neues Ökosystem aufzubauen, in dem auch Frauen ihren Traum, professionelle Sportlerinnen zu werden, verfolgen können, ohne dass sie sich finanzielle Sorgen machen und noch einen weiteren Job annehmen müssen.
"Vielleicht ist Frauensport in fünf Jahren so erfolgreich, dass es dafür keinen eigenen Sender mehr braucht!"
Haben Sie in den letzten Jahren eine Veränderung in Sachen Gleichberechtigung im Sport erkennen können?
Ja, besonders jüngeren Generationen ist Diversität im Sport wichtig. Frauensport-Fans sind durchschnittlich jünger als Männersport-Fans. Mehr Sichtbarkeit für Frauensport spiegelt auch einfach die Entwicklung unserer Gesellschaft besser wieder.
Aber ist dafür wirklich ein eigener Sender nötig, der Frauensport wieder einmal von Männersport abgrenzt?
Wir müssen das realistisch sehen. Wir leben immer noch in einer Welt, in der Männersport, vor allem Männerfußball, einen sehr hohen Stellenwert hat. Frauensport würde in dieser Umgebung nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die er verdient. Dadurch, dass wir ihm aber einen eigenen Platz, auf ihn zugeschnittenes Marketing und einen Namen geben, ist er viel zugänglicher und erreicht mehr Menschen. Ich bin ein sehr optimistischer Mensch, vielleicht ist Frauensport in fünf Jahren so erfolgreich, dass es dafür keinen eigenen Sender mehr braucht.
Brauchte es eine Frau, um diesen Sender ins Leben zu rufen?
Die Grundlagen dafür wurden bereits gelegt, bevor ich zu Dazn gekommen bin. Es braucht ja viele Zutaten, um einen Kuchen zu backen. Ich bin einfach in eine Umgebung gekommen, die für diese Möglichkeiten offen war. Ich glaube, ich war einfach nur der Auslöser, der den Stein zum Rollen gebracht hat. Letztendlich bin ich auch nur eine Businessfrau, die Entscheidungen trifft, die gut fürs Geschäft sind. Die Übertragung von Frauensport ist aus wirtschaftlicher Sicht sehr interessant und vielversprechend.
Dazn Rise ist ja schon auf Sendung. Sind Sie zufrieden bisher?
Total. Der Sender wird sehr gut aufgenommen und bekommt viel Aufmerksamkeit.
Was ist Ihr Ziel mit Dazn Rise?
Wir wollen die Sport-Industrie weiterbringen und auch andere Plattformen und Marken davon überzeugen, Athletinnen mehr Aufmerksamkeit zu schenken und in sie zu investieren. Es ist einfach, sich von der Anfangsfreude mitreißen zu lassen, aber es ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Ich wünsche mir, dass wir weiter an diesem Thema arbeiten, es am Laufen halten, damit Frauensport mittelfristig erfolgreich ist. Nur dann können wir eine Welt erschaffen, in der es normal ist, dass junge Mädchen Athletinnen werden wollen und in der Frauensport denselben Stellenwert hat wie Männersport.
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